Auslegung zu Gnade von Michael Strauch


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1. Wortbedeutung im griechischen wie im hebr. Sprachgebrauch


In der LXX und im NT heißt das griech.Wort für Gnade "charis". Im hebr. gibt es zwei Begriffe: "chen" und "chäsäd". Was aber meinen die Bedeutungen:


Charis: Gnade, Dank, Ansehen

In der Antike meinte Charis , dass sich jemand zu einem Untergebenen herabneigt. Der Untergebene dankt diesem. Das Herabneigen und der Dank beinhalten beide die Sinnbedeutung von Charis. Charis meint aber auch Anmut und Schönheit. Und es meint auch und besonders der ungezwungene Umgang, frei , glücklich und offen. Dieser Wesenszug kommt bei Gott in seinem Heil zum Tragen, der Mensch kann nur danken.

Chen: ist das hebräische Wort, dass in der LXX immer mit dem griechischen Wort "charis" übersetzt wird. Auch "chen" betont das Sich herabneigen. Es ist stets ein Gefälle von oben nach unten. Wir haben ein schönes Beispiel dafür in 1.Mose 39,4. Potiphar ist der Gebietende, Joseph der Untergebene. Es heißt:


...so dass er Gnade (chen, charis) fand vor seinem Herrn und sein Diener wurde.

(das ist ein Beispiel für den äußeren Sinn des Wortes. Wir ist ihre praktische Gestalt?):

...Der (Herr, Potiphar) setzte ihn (Diener, Josef) über sein Haus; und alles, was er hatte, tat er unter seine Hände.


Die Gnade kommt darin zum Ausdruck, dass ein höher Gestellter sich dem niedrig Gestellten zuwendet und sich ihm zuwendet, sich mit ihm beschäftigt. Die Praxis der Charis kommt in der Beauftragung zum Tragen. In der Aufgabe liegt der unverdiente Adel (siehe Charismata).

Das Besondere liegt darin, dass er Dienter bleibt, aber wie ein Herr handelt!


Sehr selten, aber auch finden wir das Wort „chen“ im Zusammenhang, dass Gott jemanden unverdient seine Gnade zuwendet im Sinne des Heils. Die Paradestelle finden wir in 1Mose 6,8:


Aber Noah fand Gnade vor dem Herrn.


Weit häufiger finden wir das hebr.Wort „chäsäd“. Dieses Wort kann man mit Gnade, aber auch mit Güte und Barmherzigkeit. Dieses Wort finden wir 240 x im AT. Wenn das Wort chäsäd mit „Gnade“ übersetzt wird, dann oft im Zusammenhang mit Treue und Liebe zu jemanden. So bittet Jakob (1Mose 47,29) seinen Sohn Josef:


...Hab ich Gnade vor dir gefunden, so lege deine Hand unter meine Hüfte, dass du Liebe und Treue an mir tust und begrabest mich nicht in Ägypten“


Liebe und Treue begleiten hier den Sinngehalt der Gnade. Weniger ein Herablassen. Dieser Gedanke der Liebe und Treue wird auch in Bezug auf Gott angewendet. Wir finden eine Paradestelle in Exodus 20,6: „...aber Barmherzigkeit (chäsäd) erweist an den Tausenden, die mich lieben und meine Gebote halten (Treue).“



1.Fazit:


Wie im NT wird das Wort Gnade unterschiedlich benutzt. Es ist zuerst ein Herabneigen Gottes zu dem Geschöpflichen. Gott neigt sich und tut seinem Untergebenen etwas Gutes. Dieser antwortet darauf mit seinem Dank. Zugleich zielt die erwiesene Gnade auf die Liebe und Treue desjenigen zu Gott. Gott ist gnädig und hofft auf Gegenliebe.



  1. Das Wort Gnade im Sprachgebrauch des Neuen Testaments


  1. Vorkommen des Wortes Charis in den Evangelien


Das ist eigenartig. Der Herr Jesus nimmt das Wort Gnade außer in der Bedeutung von „Dank“ nie in den Mund. In Lk 6, 32-34 sagt Jesus:

...und wenn ihr die liebt, die euch lieben, welchen Dank (charis) habt ihr davon?“

Johannes gebraucht das Wort Charis auch nur im Prolog, als Joh 1, 14-17:

...eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit...“

Johannes gebraucht das Wort Charis nur in Verbindung mit der Fleischwerdung Jesu. In seinen Briefen nur in Grußformeln, in der Offenbarung ebenfalls nur da.


Nur Lukas in seinem Evangelium und der Apostelgeschichte gebraucht das Wort Charis mehr. Wir haben es besonders in Lukas 4, 18-22:


....zu verkündigen das Gnadenjahr des Herrn....und wunderten sich, dass solche Worte der Gnade aus seinem Munde kamen..”


Der Wortgebrauch Charis meint hier besonders den praktischen Inhalt der Gnade. Gott offenbart sich in seinem Sohn und das kommt allen Menschen zugut. Diese “Gnadenerweise” hören auch bei den Aposteln nicht auf. Ihre Worte der Gnade werden unterstrichen durch vollmächtige Taten wie z.B. In Apg 14,3:


...und lehrten frei und offen im Vertrauen auf den Herrn, der das Wort seiner Gnade bezeugte und ließ Zeichen und Wunder geschehen durch ihre Hände...!”


In Apg 15,11, wo die Menschen hoffen, duch die “Gnadedes Herrn Jesus Christus selig zu werden, kann man Charis auch als Kraft verstehen. Sie werden durch die Kraft des Heils in und durch Jesus Christus selig.


Doch allerhäufigsten gebraucht Paulus das Wort Charis.





  1. Das Wort Charis bei Paulus im Römerbrief


Es ist eigentlich erst Paulus, der das Wort Charis sehr häufig benutzt. Im Römerbrief allein 24x und besonders im Zusammenhang mit der Begründung des Christusgeschehens.


  1. Zuerst gebraucht Paulus das Wort charis in Rö 1,5: Durch ihn haben wir empfangen Gnade und Apostelamt, in seinem Namen...” Paulus sieht seine Erwählung durch Gott und seine Einsetzung als Apostel als Gnade an. Gott naht sich ihm, vergibt ihm seine Vergangenheit und schenkt ihm völlig unverdient das Amt des Apostels.

  2. Dann in Röm 3,24:

    und werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade durch die Erlösung, die durch Christus Jesus geschehen ist!”

    Hier betont Paulus das Verständnis, wie wir es heute verstehen: Gott hat sich in seinem Sohn uns zugewandt, unverdient und voller Barmherzigkeit. Gott ist gnädig und wendet ich zum Menschen herab und gibt ihm die das Geschenk der Erlösung, frei und unverdient durch den Glauben.

  3. In Rö 5,15 sagt Paulus folgendes:

    Aber nicht verhält sich`s mit der Gabe wie mit der Sünde. Denn wenn durch die Sünde des Einen die vielen gestorben sind, um wieviel mehr ist Gottes Gnade den vielen überreich zuteil geworden durch die Gnade des einen Menschen Jesus Christus.”

    Hier macht Paulus deutlich, dass die Gnade und der Stand in der Gnade (Rö 5,2) unauslösch-lich mit Christus verbunden ist. Ohne den Glauben an Christus kein Stand der Gnade.


  1. Der Stand der Gnade im praktischen Umgang


Die Gnade Gottes wird dem Menschen also durch sein gnädiges Herablassen durch Leiden, Kreuz und Auferstehen als Heil dem Glaubenden zuteil. Gott schafft Frieden und besiegt die zwei großen Feinde der Gnade: das menschliche Tun (Eigenleistung - Gesetz) und die Sünde (siehe Galaterbrief und Rö 5,12ff).

Der Stand der Gnade - das ist ein Leben im Frieden mit Gott dem Vater - heißt nun praktisch, dass ich offen und befreit ein herzliches und liebendes Verhältnis zu Gott führen darf. Besonders schön ausgedrückt in Hebr 4,16:


Darum laßt uns hinzutreten mit Zuversicht (Freimut) zu dem Thron der Gnade, damit wir Barmherzigkeit erlangen und Gnade finden zu der Zeit, wenn wir Hilfe nötig haben!”


Dieses freie Leben in der Beziehung zu Gott führt aber auch in eine Bevollmächtigung. Siehe Josef. Die Gnade Gottes befreit, erlöst und setzt in Dienst. Gottes Geist schenkt dazu die Charis-mata, die Gnadengaben, die zur Errichtung des Reiches Gottes nötig sind.